von Matthias Jahn
FERNSEHSTUDIO INNEN / TAG
Beteiligte: ROLF; DETLEF; TALKMASTERIN,
PSYCHOLOGE DER TALKMASTER BETRITT DIE BÜHNE, ES ERKLINGT TOSENDER BEIFALL
Talkmasterin: Ja, ja, das ist ja wieder eine Stimmung hier! Danke, vielen Dank!
MIT EINER HANDBEWEGUNG BERUHIGT SIE DAS PUBLIKUM
Talkmasterin: Lassen sie uns anfangen, wir haben viel vor. Mein heutiges Thema lautet: „Mein Leben ist im Arsch! Vera, zieh mich wieder raus!“ Dazu hab ich wieder zahlreiche Gäste eingeladen. Begrüßen sie mit mir, Ralf!
ROLF KOMMT HEREIN UND BLEIBT STEHEN
Rolf: Hallali, äh, …Halli, hallo! Ich heiße Rolf!
ROLF ZÖGERT, WEISS NICHT AUF WELCHEN STUHL ER SICH HINSETZEN SOLL
Talkmasterin: Für manche ist sogar der Stuhlgang ein Problem… (ernst) Ich möchte nicht, dass sich hier irgend jemand über meine Gäste lustig macht! Ralf!
Rolf: Rolf!
Talkmasterin: Ich weiß. Es muss wirklich schwer für dich sein! Sag uns Ralf, wie lebt es sich so mit Aids?
Rolf: Oh Gott, nein! Ich hab Aids? Seit wann?
Talkmasterin: Hast du nicht? Stimmt, das war ja die andere Sendung…
Rolf: Ich bin doch hier, wegen Detlef, meinem verschollenen Bruder!
Talkmasterin: Ach ja, erzähl mal! Rolf: Also vor ungefähr zehn Jahren ging mein Bruder aus dem Haus um Zigaretten zu holen. Seitdem hab ich ihn nie wieder gesehen.
Talkmasterin: Und, war das alles? Was soll denn daran so ungewöhnlich sein?
Rolf: (schüchtern) Ich mein, er war einfach weg für immer…Dabei rauchte er noch nicht mal.
Talkmasterin: Aha, jetzt verstehe ich! Meine lieben Zuschauer, stellen sie sich vor. Ein junger, gesunder Nichtraucher geht einfach so aus dem Haus, um…man mag es kaum glauben…um Zigaretten zu holen. Gut, dann kam er nie wieder, aber wen interessiert das?
Rolf: Mich! Er hat damals öfter mal Zigaretten für mich geholt.
Talkmasterin: Und warum bist du heute hier? Rolf: (verzweifelt) Mein Bruder, ich vermisse ihn und ich dachte ihr hättet ihn vielleicht gefunden.
Talkmasterin: Danke Rolf, ich hab verstanden! Selbstverständlich, haben wir heute wieder einen Psychopaten…äh Psychologen eingeladen. Er wird versuchen, unserem …
Rolf: Rolf!
Talkmasterin: …Rolf zu helfen. Herr Prof. Doktor Schwätzer-Freudlos, worin liegen denn nun die wahren Gründe für Rolf seine Probleme?
Psychologe: Ja, schön guten Abend, erst mal. Ich denke, der Patient leidet unter den typischen Symptomen des so genannten posttraumatischen Stresssyndroms. Er glaubt, er vermißt seinen Bruder. In Wirklichkeit aber, ist es nur ein Hilfeschrei nach Liebe und Anerkennung. Er versucht damit seine grausamen Kindheitserinnerungen, Mißbrauch und Doktorspiele zu kompostieren…ich mein, zu kompensieren …
Rolf: Das ist doch Blödsinn! Mißbrauch, Doktorspiele… Der einzige Doktor, der mit mir rumgespielt hat, war mein Zahnarzt. Der war sauer, weil ich bei der AOK versichert war. Da hat er mir erst nach der Operation die Betäubungsspritzen gegeben…
Talkmasterin: Und die wirken bis heute und deshalb glaubst du, du hast einen Bruder… Gib es zu!
Rolf: Nein! Nein, ich hab einen Bruder! Hier ist sogar ein Bild von ihm!
ROLF ZEIGT EIN KLEINES ZERISSENES FOTO
Talkmasterin: Herr Professor Schwätzer-Freudlos, was sagt denn der Experte dazu?
Psychologe: Keine Ahnung, ich kenn keinen. Ach so, sie meinen mich? Ich denke, das wirkliche Problem von Rolf liegt darin, dass sein Bruder seit zehn Jahren verschwunden ist.
Talkmasterin: Interessant! Rolf, erzählen sie uns mehr von ihrem Bruder. Warten sie!
DIE TALKMASTERIN FÄSST SICH ANS OHR
Talkmasterin: Ich bekomme gerade ein Information. Wir haben eine Überraschung für dich! Halt dich fest! Hier ist er, liebe Zuschauer, der verschollene Bruder von Ralf!
Rolf: Rolf!
DETLEF ERSCHEINT IN DER TÜR, ER STEHT, ZÖGERT.
Detlef: Hallo, ich Detlef!
ROLF SPRINGT AUF, UMARMT DETLEF, DETLEF BLEIBT VERWUNDERT UND TEILNAHMSLOS STEHEN.
Rolf: Hey Detlef, ich bins, dein Bruder! Erkennst du mich nicht?
Talkmasterin: Rolf, das dauert, der Schock, die Wiedersehensfreude…
Rolf: Irgendwie hat Detlef damals ganz anders ausgesehen.
Talkmasterin: So ist das nun mal, Menschen verändern sich!
Rolf: Ja schon, aber früher hatte er mal ne Glatze und war zwei Meter groß.
Talkmasterin: Entscheidend ist, er heißt Detlef, nicht, Detlef?
Detlef: Doch, Detlef, ich Detlef!
Talkmasterin: Na also! Fragen wir unseren Physiologen Herr Prof. Schwätzer-Freudlos. Was sagen sie dazu?
Psychologe: Ja, schön guten Abend erst mal. Ich denke, der Patient leidet unter den typischen Symptomen des sogenannten posttraumatischen Stresssyndroms. Er glaubt, er vermißt seinen Bruder. In Wirklichkeit… Talkmasterin: Ja, ja, alles klar…Rolf, willst du deinem Bruder vielleicht etwas fragen?
Rolf: Ne, oder doch! Detlef, du hast jetzt vorne sogar Zähne. Sind die echt – aus Plaste? Und wie geht es deinem Ausschlag am Hintern?
DETLEF SPRINGT AUF UND WÜRGT ROLF
Detlef: Ich Ausschlag? Du kriegen gleich Ausschlag ins Gesicht! Ich, noch nie hatte Ausschlag!
DIE TALKMASTERIN SPRINGT DAZWISCHEN
Talkmasterin: Was ist denn los, Detlef?
Detlef: Detlef, Detlef, ich nix Detlef! Redakteur hat auf Strasse gesagt, du bekommen zweihundert Mark, wenn du gehen in Studio und seien Detlef …
Rolf: Sag ich doch, das ist gar nicht mein Bruder. Das ist Betrug!
Detlef: Ich nicht Betrug, ich Igor!
Talkmasterin: Was sagt unser Psychologe dazu. Hören sie mich? Schwätzer!
Psychologe: Ja, schön guten Abend! Ich denke, der Patient hat zwei Gesichter. Einmal ist er Igor, aber manchmal ist er auch Detlef. Das Ganze ist so etwas wie Hilfeschrei nach Liebe und Anerkennung. Er versucht damit seine grausamen Kindheitserinnerungen, Mißbrauch und Doktorspiele…
Talkmasterin: Alles klar…
Rolf: Und, wo ist nun mein richtiger Bruder?
Talkmasterin: Ihren Bruder konnten wir nicht erreichen. Er sitzt seit zehn Jahren im Knast, organisierter Zigarettendiebstahl.
SCHLUSS
Dieses Stück darf nicht ohne Genehmigung des Autor aufgeführt werden.